Bergkette Yosemite Valley USA    
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Klettern in den USA an einer 1000 m hohen Felswand
des El Capitan 2307 m

von Dr. Dagmar Kühne 1995



Im Sommer flog ich zum zweiten Mal nach Kalifornien zum Klettern. Jens holte mich in L.A. vom Flughafen ab.

Er freute sich auf 4 Wochen Sonne und Sportklettern nach erfolgreicher Besteigung des Mt. mc Kinley kurz vorher. Ich freute mich auf den Urlaub, auf die grandiosen Nationalparks der USA und natürlich auch auf Sonne und Klettern. Ich lernte Klettergebiete kennen, welche sich in unglaublich faszinierenden Landschaften befinden. Yosemite ist eines davon.

Yosemite Valley ist für Kletterer gekoppelt mit dem Granitmonolithen "El Capitan". Und El Cap bedeutet big wall, 1000 m senkrechter Fels, Übernachtung in der Wand, das zusätzliche Hochziehen eines Materialsackes mit ca.35 kg, davon 25 kg Wasser. Es ist heiß in der Wand, die Sonne brennt den ganzen Tag. Ich wusste von Jens seiner big - wall - Besteigung ("The Nose" am) im Jahr zuvor, dass so eine Tour harte Arbeit ist.

Aber sie ist ein Erlebnis, sie hat einen ganz besonderen Reiz. So machte ich den Vorschlag für die "Salathe". Jens war begeistert, vor allem weil der Vorschlag von mir kam. Die "Salathe" war ein Traum von ihm, es ist die vielleicht schönste Klettertour der Welt.

Und ich weiß, dass ich mit Jens den zuver-lässigsten Seilpartner habe, den ich mir vorstellen kann. Wir bereiteten uns vor: Wasserflaschen präparieren, Unmengen von Klettermaterial sortieren, Minimum an Essen einpacken. Und alles, was man sonst für 3 Tage in der Wand braucht, wie Schlafsack oder Papiertüten für Müll und für die Notdurft.

Die Tüten werden dann aus der Wand geworfen und nach der Tour wird am Wandfuß alles wieder eingesammelt. Dann bleibt die Wand sauber.

Die Nacht vor Beginn der Tour verbrachten wir am Einstieg mit Tausenden von Mücken. Wir waren froh, gegen 5 Uhr einsteigen zu können und die Mücken zurück-zulassen. Jens stieg vor, der Materialsack musste auch mit hochgezogen werden. Die amerikanischen Kletterer bezeichnen ihn mit "The pig", das Schwein. So verhält er sich auch. Hinterlistig hängt er meistens dort fest, wo man es am wenigsten gebrauchen kann. Und er ist schwer, man hat das Gefühl, sein Gewicht nimmt mit der Höhe zu.

Ich jümarte am fixierten Seil hoch, zuerst noch mit zusätzlichem Seil gesichert. Aber auch das verfing sich immerzu, das kostete mich Nerven, Tränen und Kraft und wir ließen es weg.
Jetzt hing mein Leben an den Steigklemmen, den Gurt und einem Seil und wir waren wesentlich schneller. Nach ca. 12 Seillängen erreichten wir den ersten Biwakplatz. Wir konnten bei allen Biwakplätzen liegend schlafen, Voraussetzung ist, man erreicht ihn vor eventuell vorhandenen anderen Seilschaften. Auch hier gilt: Frühes Erscheinen sichert gute Plätze. Natürlich lässt man den Klettergurt an und bleibt zum schlafen eingebunden.

Am 2. Tag kam der Punkt, wo die Wand überhängend wurde und es kein Zurück mehr gab. In überhängenden Wänden kann man nicht mehr abseilen, man erreicht die Wand nicht mehr. Mir wurde es jedes Mal bewusst, wie überhängend die Wand war, wenn ich an meinem Fixseil einen Sicherungspunkt aushing und mehrere Meter aus der Wand pendelte. Dabei unter mir Hunderte Meter Luft bis zum Wandfuß.

Jens leistete im Vorstieg unwahrscheinlich viel, sowohl physisch, als auch psychisch. Es gab Seillängen, da wussten wir beide, dass die Sicherungspunkte nicht halten würden, wenn er ins Seil fällt.

Drei Übernachtungen in der Wand, nach 3,5 Tagen erreichten wir den Gipfel. Eigentlich heißt es hier, aus der Wand heraus zu sein. Es bedeutet, sich ohne Kletterausrüstung normal bewegen zu können.

Wir packten unser Kletterzeug ein und begannen den Abstieg. Man läuft mehrere Stunden hinunter bis zum Wandfuß. Und schaut nach oben. So langsam wurde mir klar, wir hatten es geschafft! So richtig bewusst wurde es mir erst viel später, vorerst freuten wir uns auf eine Dusche, einen schönen Zeltplatz und die restlichen Tage erholsamen Urlaub.

Ein Traum war in Erfüllung gegangen, ein Traum welcher für uns vor 1989 unerreichbar schien. In dem Bewusstsein, etwas Großartiges geleistet zu haben, was natürlich der Großteil der Menschheit nicht verstehen wird, flog ich zurück nach Deutschland und Jens weiter nach Peru, wo die hohen Berge Südamerikas auf ihn warteten.